Abstimmungsvorlage zur Revision der Verrechnungssteuer

Interview mit Rolf Städler aus der TGVaktuell

Am 25. September 2022 stimmt das Volk über die Revision der Verrechnungssteuer ab. Rolf Städler, dipl. Steuerexperte bei awit consulting ag, erläutert die wichtigsten Änderungen und Auswirkungen der Revision.

Was verändert sich durch die Revision?
Die Verrechnungssteuer wurde im Jahre 1944 als Sicherungssteuer für passive Erträge (z.B. für Zinsen und Dividenden) ausgestaltet. Die Leistungsschuldner (gewerbsmässige Herausgeber von Obligationen, wie Firmen, Banken oder auch Staaten) wurden damit verpflichtet, diese Steuer an der Quelle bei der Auszahlung vom Ertrag abzuziehen und diese dann an den Staat abzuliefern. Sofern der Leistungsempfänger diese Erträge an seinem steuerlichen Wohnsitz richtig versteuert hat, kann er diesen Rückbehalt ganz oder teilweise wieder zurückfordern. Dadurch fungierte die Verrechnungssteuer also als eine Art Überwachungssystem. Dieses System wurde notabene zu einer Zeit eingeführt, als es noch keinen automatischen Informationsaustausch (AIA) gab und die Finanzwelt noch nicht digitalisiert war. In der heutigen Zeit ist diese Sicherungssteuer auf Zinserträgen in Form der Verrechnungssteuer jedoch überflüssig und soll nun aufgehoben werden. Zudem soll die Stempelabgabe beim Handel oder der Ausgabe von Obligationen ebenfalls abgeschafft werden. Die Stempelabgabe beträgt maximal 1,5 – 3 Promille für Effektenhändler, für Firmen in den meisten Fällen die Hälfte. Weiterhin erhoben wird die Verrechnungssteuer hingegen auf Zinsen aus Kundenguthaben oder auf Dividenden.

Wer profitiert von der partiellen Abschaffung der Verrechnungssteuer?
Man kann hier nicht von «profitieren» sprechen. Die Verrechnungssteuer (nicht die Stempelsteuer) kann heute schon von jedem/r Inländer/in zurückgefordert werden, sofern er/sie die Erträge richtig deklariert hat. Finanziell ändert sich gegenüber heute also nichts. Die Zinserträge aus Obligationen sind nach wie vor ordentlich steuerpflichtig. Für Schweizer Konzerne oder Banken allerdings ist diese „Erleichterung“ von grosser Bedeutung: durch die Abschaffung der Verrechnungssteuer beim Effektenhandel können die Obligationen zu wettbewerbsfähigen Preisen und Bedingungen in der Schweiz ausgegeben werden. Auch der Staat profitiert von der Abschaffung, insbesondere durch die Ersparnis des administrativen Aufwandes, denn der Aufwand für die Erhebung der Steuer ist für den Staat sowie auch für die Erhebungsstellen enorm. Mit der heutigen Digitalisierung hat die aktuell gültige Verrechnungssteuer verwaltungsökonomisch keinen Sinn mehr.

Inwiefern sind Schweizer KMU davon betroffen?
Es ist keine Frage von gross oder klein. Jedes Unternehmen hat die gleichen Möglichkeiten. Es ist aber so, dass eher die grösseren Firmen jene Finanzierungsinstrumente einsetzen, welche aktuell noch von der Verrechnungssteuer betroffen sind. Auch bei Privatperson könnten sich die Änderungen jedoch bemerkbar machen, z.B. im Zusammenhang mit den Anlagen des Pensionskassenvermögens oder dem Ertrag aus strukturierten Produkten.

Welche weiteren Einflüsse hat die Revision der Verrechnungssteuer auf die Wirtschaft?
Der finanzielle Einfluss wird nicht gross sein, der steuerlichen Effekt hingegen schon. Schweizer Konzerne werden ihre Obligationen vermehrt wieder in der Schweiz emittieren können, womit ein Teil der Wertschöpfung und damit der Arbeitsplätze wieder auf die Schweiz zurückfällt. Auf der anderen Seite nimmt jedoch auch die Attraktivität solcher Geldanlagen für Ausländer zu, da die Erträge nicht an der Quelle belastet werden. Es ist davon auszugehen, dass der grösste Teil der Anleger professionell tätig ist und die Erträge daher auch ohne „Sicherung“ ordentlich versteuert. Die Aufhebung der Verrechnungssteuer ist also in erster Linie einfach eine zeitgemässe Korrektur des Administrationsprozesses.

Rolf Staedler
resigning CEO awit-Gruppe Arbon & Appenzell
M&A-Experte
dipl. Steuerexperte

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