Sieg vor Bundesgericht (BGE 2C_611/2018)
Das Bundesgericht hat die bis am 31. Dezember 2017 vorhandene gesetzliche Grundlage für die Anwendung des vereinfachten Abrechnungsverfahrens bestätigt und heisst die von der awit consulting ag eingereichte Beschwerde gegen das Steueramt Solothurn gut.
Auch wenn die Anwendung des vereinfachten Abrechnungsverfahrens ab 1. Januar 2018 bei Kapitalgesellschaften nicht mehr anwendbar ist, so bestätigt der Bundesgerichtentscheid die bisher geltende Rechtsprechung, womit diese sicherlich auch zur Steuerplanung vorgenommene Rechtsgestaltung, aufgrund der bis Ende 2017 geltenden gesetzlichen Bestimmungen, nicht generell rechtsmissbräuchlich ist.
Die meisten Kantone haben dies bisher in der Praxis auch so gehandhabt. Der Kanton Solothurn wird seine Praxis für alle noch offenen Steuerfälle bis Steuerperiode 2017 anpassen müssen. Vielleicht kann sich der eine oder andere Steuerpflichtige in laufenden Verfahren noch auf den Bundesgerichtsentscheid berufen. Wenn wir Ihnen dabei behilflich sein können, wenden Sie sich gerne an uns.
Nachfolgend möchten wir Ihnen den Bundesgerichtsentscheid ausführlich erläutern:
Sachverhalt
Die im Kanton Solothurn wohnhafte Eheleute sind alleinige Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). 2015 bezogen beide Eheleute von der Gesellschaft Nettovergütungen von je CHF 20’880; 2016 bezog nur der Ehemann eine Vergütung von CHF 20’880. Für beide Vergütungen wurden die Steuern nach dem vereinfachten Abrechnungsverfahren (VAV) abgerechnet.
In den Veranlagungen für die Bundes- und Kantonssteuern 2015 und 2016 rechnete die Veranlagungsbehörde Solothurn die im VAV abgerechneten Einkünfte der beiden Eheleute auf. Zur Begründung führte sie an, dass eine Besteuerung im VAV im vorliegenden Fall missbräuchlich sei.
Eine Einsprache gegen die Veranlagungen wies die Veranlagungsbehörde Solothurn ab und auch der nachfolgende Rekurs und eine Beschwerde gegen den Einspracheentscheid wurde vom Kantonalen Steuergericht Solothurn abgewiesen.
In der Vernehmlassung zur Beschwerde vor Bundesgericht beantragt das Kantonale Steuergericht Solothurn eine Abweisung der Beschwerde, soweit auf diese einzutreten sei. Das Steueramt des Kantons Solothurn und die Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) hat sich diesem Antrag angeschlossen.
Erwägungen
Bei den zu beurteilenden Einkünften handelt es sich unstreitig um Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit. Der Streit dreht sich alleine um die Frage, ob diese Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit der Jahre 2015 und 2016 zu Recht im VAV abgerechnet wurden oder ob sie der ordentlichen Besteuerung hätten zugeführt werden müssen.
Gemäss Art. 2 BGSA (Bundesgesetz über die Bekämpfung der Schwarzarbeit) der bis am 31. Dezember 2017 gültigen Fassung, konnten Arbeitgeber die Löhne der in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im vereinfachten Abrechnungsverfahren abrechnen, sofern:
a) der einzelne Lohn den Grenzbetrag nach Artikel 7 des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge nicht übersteigt;
b) die gesamte jährliche Lohnsumme des Betriebes den zweifachen Betrag der maximalen jährlichen Altersrente der AHV nicht übersteigt; und
c) die Löhne des gesamten Personals im vereinfachten Verfahren abgerechnet wird.
Für die im entsprechenden Urteil zu Grunde liegenden Jahre 2015 und 2016 bedeutet dies, dass die einzelnen im Betrieb der beiden Beschwerdeführer für sie abgerechneten Löhne nicht höher als CHF 21’060 sein durften und die Gesamtlohnsumme CHF 56’160 (2 x CHF 28’080) nicht übersteigen durfte.
Mit Wirkung auf den 1. Januar 2018 wurde Art. 2 BGSA um einen zweiten Absatz ergänzt. Danach ist das vereinfachte Abrechnungsverfahren nicht anwendbar für:
a) Kapitalgesellschaften und Genossenschaften;
b) die Mitarbeit des Ehegatten oder der Ehegattin sowie der Kinder im eigenen Betrieb.
In ihrer Begründung führte das Kantonale Steuergericht Solothurn auf, dass im Falle der Beschwerdeführer grundsätzlich die formellen Voraussetzungen gemäss Art. 2 BGSA für die Anwendung des VAV erfüllt seien. Gedacht sei das VAV indessen aber primär für Arbeitnehmer in Privathaushalten gewesen. Umstritten sei, ob auch Geschäftsführereinkünfte oder Verwaltungsratshonorare vereinfacht abgerechnet werden könnten und im vorliegenden Fall sei die Steuerumgehung zu prüfen. Der Lohn liege mit CHF 20’880 knapp unter der massgeblichen Limite von CHF 21’060 und es gäbe ansonsten keine nachvollziehbare Begründung für dieses Vorgehen. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass es nur um eine mögliche Steuerersparnis gegangen sei, tatsächlich eine Steuerersparnis vorliege und deshalb von einer Steuerumgehung auszugehen sei.
Die Beschwerdeführer, vertreten durch die awit consulting ag, führen in ihrer Beschwerde aus, dass sie nie bestritten haben, dass der Gesetzgeber das VAV primär für Beschäftigte in privaten Haushalten sowie in landwirtschaftlichen und anderen Kleinbetrieben vorgesehen habe. Dies komme allerdings im Gesetzeswortlaut nicht zum Ausdruck, weshalb davon auszugehen sei, dass das Verfahren in allen Fällen offen stehe, wo die Voraussetzungen gemäss Art. 2 BGSA erfüllt seien, ungeachtet der Art der Tätigkeit und ungeachtet davon, ob der Lohnempfänger auch gleichzeitig Eigentümer der auszahlenden Gesellschaft sei. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des VAV seien unbestritten erfüllt. Aufgrund der gewählten Rechtsgestaltung liege keineswegs eine Steuerumgehung vor, da dies weder ungewöhnlich, sachwidrig noch absonderlich sei und auch keine erhebliche Steuerersparnis vorliege.
Ausführungen Bundesgericht
Das Bundesgericht weist in seinen Ausführungen auf einen Entscheid in einem vergleichbaren Fall (BGE 9C_577/2017 vom 25. September 2018) hin. Damals stellte das Bundesgericht zunächst fest, dass kein Raum für eine rückwirkende Gültigkeit der geänderten Gesetzesbestimmung von Art. 2 BGSA besteht. Daran vermöge auch die im Gesetzgebungsverfahren formulierte Erkenntnis, dass das VAV teilweise auch zweckfremd angewandt werde (z.B. Abrechnung von Verwaltungsratshonoraren), und so ungewollte Steuerersparnisse ermögliche, nichts ändern. Aus dem Wortlaut von Art. 2 BGSA, welcher für die Beurteilung des Falles in erster Linie massgebend sei, ergäbe es keine qualitative Einschränkung. Die Gesetzesbestimmung lege einzig die quantitativen Kriterien des vereinfachten Abrechnungsverfahrens fest. Insbesondere lasse sich eine bewusst gewollte Ausklammerung geringfügiger Verwaltungsratshonorare vom vereinfachten Abrechnungsverfahren (noch) nicht ausmachen. Dies sei erst mit der Gesetzesanpassung per 1. Januar 2018 erfolgt. Demnach können auch keine Rede davon sein, dass die Inanspruchsnahme des VAV durch die GmbH rechtsmissbräuchlich gewesen wäre. Unzulässig wäre die Abrechnung im VAV höchstens dann gewesen, wenn in Wirklichkeit gar kein Arbeits-verhältnis vorgelegen hätte, d.h. zwar im VAV ein Lohn abgerechnet worden wäre, obschon gar keine Arbeitsleitung erbracht werden musste (fiktives Arbeitsverhältnis). Darauf hat die Eidg. Steuerverwaltung zwar in ihrer Stellungsnahme hingewiesen. Da die Vorinstanz in ihrer Stellungsnahme nicht auf dieses Argument eingegangen ist, war dies auch für das Bundesgericht unbeachtlich.
Entscheid
Das Bundesgericht hat somit festgestellt, dass die Abrechnung der Lohnbezüge 2015 und 2016 im VAV rechtmässig ist und die Beschwerde vollumfänglich gutgeheissen. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens wurden dem Kanton Solothurn auferlegt.
Daniel Wartenweiler
Partner
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