«Stolpersteine» bei grenzüberschreitendem Homeoffice-Teil 2

COVID-19 hat die Verbreitung von Homeoffice beschleunigt. Auch wenn in der Zwischenzeit die Häufigkeit von Homeoffice reduziert worden ist, gibt es auf jeden Fall ein Bedürfnis nach Flexibilisierung in der Arbeitswelt. Betreffend Homeoffice gibt es aber auch einige arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtliche Herausforderungen, bei welchen die gesetzlichen Grundlagen noch nicht ausreichend sind oder vorhandene Gesetzeslücken mittels bundesgerichtlicher Rechtsprechung fortan geschlossen werden müssen. Dazu kommen noch internationale Abgrenzungsfragen, was dem Bedürfnis auf örtlich und zeitlich flexibles Arbeiten gewisse «Steine» in den Weg legt. In unserem ersten Fachbericht zum Thema Homeoffice, haben wir uns bereits mit den arbeitsrechtlichen «Stolpersteine» befasst. Im vorliegenden zweiten Fachbericht geben wir Ihnen einen Überblick über sozialversicherungsrechtliche «Stolpersteine». In einer nachfolgenden awit-online News werden dann noch Ausführungen zu den steuerrechtlichen Herausforderungen folgen.

Sozialversicherungsrechtliche Herausforderungen
Wenn sich der Arbeits- und der Wohnsitz von Arbeitnehmenden ausschliesslich in der Schweiz befinden, ist die Homeofficetätigkeit völlig unproblematisch. Anders sieht es hingegen bei grenzüberschreitenden Verhältnissen aus. Seit April 2012 gelten im Verhältnis Schweiz – EU bei der Frage der sozialversicherungsrechtlichen Unterstellung die EU-Verordnungen 883/2004 und 987/2009. Seit dem 1. Januar 2016 gelten diese Verordnungen auch für die EFTA.

Unter Sozialversicherungen im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Unterstellung fallen:

  • Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (AHV, IV)
  • Krankenversicherung (KV)
  • Unfallversicherung (UV)
  • Erwerbsersatz / Mutterschaftsentschädigung (EO / MSE)
  • Arbeitslosenversicherung (ALV)
  • Familienzulagen

Dabei stellen sich diese Fragen nicht nur im Hinblick auf die Beitragserfassung, sondern auch bei der Leistungspflicht. So kann es doch sein, dass es sich erst bei einem Leistungsfall (z.B. Unfall im Homeoffice) herausstellt, dass bis anhin von einer falschen sozialversicherungsrechtlichen Unterstellung ausgegangen worden ist.

Unterstellungsprinzipen
Für die Klärung der sozialversicherungsrechtlichen Unterstellung gibt es drei Grundprinzipien:

  • Ausschliesslichkeitsprinzip, welches eine Unterstellung unter die Gesetzgebung von nur eines einzigen Staates vorsieht;
  • Arbeitsortsprinzip, welches vorsieht, dass die sozialversicherungsrechtliche Unterstellung in der Regel dort besteht, wo die Tätigkeit ausgeübt wird.
  • 5%-Regel, welche vorsieht, dass koordinationsrechtlich Tätigkeiten nicht berücksichtigt werden, welche 5% des gesamten zeitlichen Aufwandes oder Einkommens nicht übersteigen (GL- und VR-Tätigkeiten fallen nicht unter diese Ausnahmeregelung).

Innerhalb dieser der Grundprinzipien gibt es noch weitere zu berücksichtigende Koordinationsregeln:

  • Wird eine Erwerbstätigkeit im Wohnsitz- und in einem Fremdstaat ausgeübt, erfolgt eine Unterstellung am Wohnsitzstaat, wenn der Umfang der Tätigkeit im Wohnsitzstaat mind. 25% der Gesamttätigkeit ausmacht. Liegt die Tätigkeit im Wohnsitzstaat unter 25% erfolgt eine sozialversicherungsrechtliche Unterstellung des gesamten Einkommens im Fremdstaat. Dies gilt auch bei unselbständigen Erwerbstätigkeiten in mehreren Fremdstaaten, sofern am Wohnsitzstaat mind. 25% der Gesamtstätigkeit ausgeübt wird.
  • Wird gleichzeitig eine unselbständige und eine selbständige Erwerbstätigkeit in mehreren Vertragsstaaten ausgeübt, ist die unselbständige Erwerbstätigkeit für die sozialversicherungsrechtliche Unterstellung bestimmend.

«Stolperstein» Homeoffice
Während der Corona Zeit wurde das Homeoffice teilweise gesetzlich angeordnet und somit hat dies korrekterweise noch zu keinen sozialversicherungsrechtlichen Umqualifikationen geführt. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass nach Ablauf dieses Ausnahmezustandes, die Tätigkeit im Homeoffice als Beschäftigungs- respektive Arbeitsort in einem anderen Staat zu qualifizieren ist.

Beispiel:
Ein in Konstanz wohnhafter EU-Staatsangehöriger arbeitet für eine Firma in St. Gallen. Während seiner 5-tägigen Arbeitswoche verbringt er 2 Tage in der Woche im Homeoffice in Konstanz.

Folgen:
Der EU-Staatsangehörige übt regelmässig einen erheblichen Teil (40% respektive > 25%) seiner Erwerbstätigkeit in Deutschland aus. Somit ist er für das gesamte Einkommen dem Sozialversicherungsrecht in Deutschland unterstellt. Dies hat zur Folge, dass sich der Schweizerische Arbeitgeber bei den zuständigen Deutschen Sozialversicherungsbehörden registrieren muss. Neben der Beitragspflicht mit den für Deutschland geltenden Bestimmungen sind dazu auch diverse administrative Vorschriften bezüglich der Deutschen Sozialversicherungspflicht einzuhalten. Einfachheitshalber kann sich der Arbeitnehmende bei den Deutschen Sozialversicherungen registrieren lassen, der Arbeitgebende bleibt aber auf jedem Fall für die vollständige Bezahlung haftbar.

Aufgrund der Praxis empfehlen wir daher, arbeitsvertraglich festzuhalten, dass die grenzüberschreitende Tätigkeit im Homeoffice nicht mehr als ein Arbeitstag pro Woche sein soll. Alle darüber hinausgehenden Regelungen bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten im Homeoffice sind mit einem Sozialversicherungsfachmann / -fachfrau der betroffenen Staaten anzusehen und dafür zu sorgen, dass die Frage der sozialversicherungsrechtlichen Stellung, auch mittels Bestätigung (A1 Bescheinigung) der dafür zuständigen Sozialversicherungsbehörden, vor möglichen Leistungsfällen geklärt ist. Gerne bieten wir Ihnen für solche Abklärungen unsere Unterstützung an.

Daniel Wartenweiler
Partner
Treuhänder mit eidg. Fachausweis
Sozialversicherungsfachmann mit eidg. Fachausweis
Experte Arbeitsrecht / Zertifikat Schulthess

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