«Stolpersteine» bei grenzüberschreitendem Homeoffice-Teil 1

COVID-19 hat die Verbreitung von Homeoffice beschleunigt. Auch wenn in der Zwischenzeit die Häufigkeit von Homeoffice reduziert worden ist, gibt es auf jedem Fall ein Bedürfnis nach Flexibilisierung in der Arbeitswelt. Beim Homeoffice gibt es aber auch einige arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtliche Herausforderungen, bei welchem die gesetzlichen Grundlagen noch nicht ausreichend sind oder vorhandene Gesetzeslücken mittels bundesgerichtlicher Rechtsprechung fortan geschlossen werden müssen. Dazu kommen noch internationale Abgrenzungsfragen, was dem Bedürfnis auf örtlich und zeitlich flexibles Arbeiten gewisse «Steine» in den Weg legt. Im vorliegenden ersten Fachbericht geben wir Ihnen einen Überblick über arbeitsrechtliche «Stolpersteine». In den nachfolgenden awit-online News werden dann noch Ausführungen zu den sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Herausforderungen folgen.

Arbeitsrechtliche Herausforderungen
Sofern keine individuelle Vereinbarung vorhanden ist, gilt als Arbeitsort der Betrieb respektive die Arbeitsorganisation, in welcher jeder Arbeitnehmende eingegliedert ist (OR 74 Abs. 1). Es gibt somit weder ein Recht der Arbeitgebenden, Homeoffice-Arbeit einseitig anzuordnen, noch gibt es ein Recht der Arbeitnehmenden, ein solches Recht einseitig zu verlangen. Während der Pandemie konnten sich Arbeitgebende auf das Weisungsrecht gemäss OR 321d und die Treuepflicht gemäss OR 321a sowie die Arbeitnehmenden auf den Fürsorge- und Gesundheitsschutz gemäss OR 328 berufen. Nach Beendigung der Pandemie ist aber für eine dauerhafte Lösung zwingend anzuraten die arbeitsrechtlichen Grundlagen anzupassen respektive zu ergänzen. Dabei sind die Rechtsgrundlagen der Änderungskündigung einzuhalten.

Bei Homeoffice stellen sich insbesondere Fragen zur Kostentragung, der Arbeitszeit und des Gesundheitsschutzes.

Kostentragung
In OR 327 Abs. 1 ist geregelt, dass der Arbeitgebende den Arbeitnehmenden mit Geräten und Material auszurüsten hat, welche diese für die Ausübung ihrer Arbeit benötigen, sofern nichts anderes geregelt oder üblich ist. Stellen die Arbeitnehmenden dem Arbeitgebenden selbst Geräte oder Material für die Ausführung der notwendigen Arbeiten zur Verfügung, so ist dafür eine angemessene Entschädigung zu leisten, sofern nichts anderes vereinbart oder üblich ist (OR 327 Abs. 2).

Als Beispiele können folgende Kosten darunterfallen:

  • Smartphone, Bildschirme, Computer, Drucker oder anderes Büromobiliar;
  • Schreibwaren, Papier, Druckpatronen oder Versandspesen;
  • Strom, Internet, Heizung, Telefonie, Lizenzkosten für Software, Mietkosten.

Wenn bei den Arbeitnehmenden Auslagen angefallen sind, welche für die Verrichtung der Arbeit notwendig sind, so ist allerdings eine anderweitige Parteiabrede mit Hinweis auf OR 327a nicht zulässig. In diesem Falle ist eine Kostentragung zwingend, wobei diese auch durch eine kostendeckende Pauschale gewährleistet werden kann. Ist somit am Geschäftssitz der Arbeitgebenden ein geeigneter Arbeitsplatz vorhanden und erfolgt die Homeoffice-Arbeit auf freiwilliger Basis, so ist der Kostenersatz nicht zwingend. Ist die Homeoffice-Arbeit hingegen von den Arbeitgebenden angeordnet und gibt es keinen geeigneten Arbeitsplatz am Geschäftssitz des Arbeitgebenden, so ist ein Kostenersatz zwingend.

Arbeitszeit / Gesundheitsschutz
Innerhalb der arbeitsgesetzlichen Schranken kann die Arbeitszeit im Homeoffice unter den Parteien vereinbart werden. Es empfiehlt sich, dies wie auch die Bestimmungen zur Kostentragung, in einem separaten Homeoffice-Reglement festzuhalten.

Denn auch bei der Arbeitsleistung im Homeoffice sind die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes (ArG) anzuwenden. Es kann weder die Ausnahmebestimmung für private Haushaltungen (Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG) angewendet werden, noch ist Homeoffice eine Heimarbeit im Sinne von Art. 3 lit. f ArG. Somit sind zwingend auch die Vorschriften im Arbeitsgesetz über die Arbeits- und Ruhezeiten sowie der Gesundheitsschutz einzuhalten und gleichzeitig deren Einhaltung auch von den Arbeitgebenden zu überprüfen. Diesbezüglich muss auch darauf geachtet werden, dass wenn Arbeitnehmende ihre Homeoffice-Tätigkeit im Ausland ausüben, dass Schweizerische Arbeitsgesetz nicht anwendbar ist und allenfalls sogar ausländische Normen anzuwenden sind. Insbesondere bei Arbeitgebenden in Grenzkantonen mit Mitarbeitenden, welche im grenznahen Ausland wohnen, kein unwesentlicher Punkt, welcher zu berücksichtigen ist, wenn eine Homeoffice-Arbeit angeordnet wird. Bei Mitarbeitenden mit höherer leitender Tätigkeit sind lediglich die Gesundheitsschutzvorschriften gemäss Arbeitsgesetz anwendbar.

Als Arbeitszeit gilt die Zeit, während der sich die Arbeitnehmenden zur Verfügung der Arbeitgebenden halten müssen. Dies ist auch im Homeoffice anzuwenden. Da oftmals bei der Homeoffice-Tätigkeit eine Vermischung zwischen Privatem und Arbeit stattfindet, sich Fragen im Zusammenhang mit der ständigen Erreichbarkeit stellen und durchaus auch geringfügige Tätigkeiten ausserhalb der normalen Arbeitszeiten anfallen können, empfiehlt es sich, hier im Homeoffice-Reglement die Arbeitszeit genau zu definieren. Die maximal zulässige wöchentliche Arbeitszeit beträgt auch im Homeoffice 45 Stunden (analog Büropersonal). Auch die im Arbeitsgesetz geregelten Mindestpausen sind zwingend einzuhalten. Das Gleiche gilt für die Ruhezeiten, für die Bestimmungen zur Tages- und Abendarbeit sowie zur Nacht- und Sonntagsarbeit. Die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen ist zur Einhaltung des Gesundheitsschutzes nach OR 328 sowie diversen Bestimmungen im Arbeitsgesetz sowie im Unfallversicherungsgesetz auch von den Arbeitgebenden zu prüfen.

Das Homeoffice stellt aber die Arbeitgebenden, bei der Prüfung der Einhaltung des Gesundheitsschutzes, vor grosse Probleme, denn:

  • es bestehen nur beschränkte Kontroll- und Aufsichtsmöglichkeiten;
  • es gibt kein Arbeitsgestaltungsrecht (also wie hat der Arbeitsplatz im Homeoffice auszusehen);
  • es gibt kein Zugangsrecht der Arbeitgebenden inkl. des kantonalen Arbeitsinspektorates;
  • Überwachungssysteme zur Kontrolle des Verhaltens sind verboten (Art. 26 ArGV3).

 

Es ist aber zu berücksichtigen, dass die Arbeitnehmenden im Sinne des Arbeitsgesetzes auch eine Mitverantwortung oder Mitwirkungspflicht haben. Somit empfiehlt es sich auch, in einem Homeoffice-Reglement auch Bestimmungen zum Gesundheitsschutz aufzunehmen wie zB:

  • Hinweis auf Einhaltung der Arbeitszeit- und Ruhezeiten
  • Regelungen für die Arbeitszeiterfassung
  • Regelungen zu den anzuwendenden Mischformen zwischen Homeoffice und Tätigkeit am Sitz der Arbeitgeberin
  • Informationen über Gesundheitsgefährdungen im Homeoffice
  • Regelungen zu Stellvertretungen und Absprachen zu Erreichbarkeiten
  • Definition von Reaktionszeiten
  • Zielvorgaben und einzuhaltende Fristen

 

Um die Einhaltung des Gesundheitsschutzes zu überprüfen, gibt es sicherlich auch technische Möglichkeiten, welche im Einzelfall zu prüfen sind:

  • Automatische Abschaltungen, falls dies notwendig sein sollte;
  • Einschränkende Konfigurationen beim E-Mail Verkehr;
  • Beschränkter Zugriffsmöglichkeiten auf externen Server;
  • Kalenderfreigaben

In der Praxis zeigt sich sehr oft, dass sich die Arbeitgebenden nicht bewusst sind, dass arbeitsrechtliche Verfehlungen stattfinden oder mittels Einführung eines Homeoffice-Reglements ein Handlungsbedarf besteht. Erst wenn dann bei einem möglichen Leistungsfall (z.B. Unfall oder Krankheit infolge Burnout) sich die Versicherungen unter anderem betreffend Einhaltung der Höchstarbeits- und Ruhezeiten erkundigen, führt dies zu bösen Überraschungen. Daher empfehlen wir Ihnen in Ihrem Unternehmen zu prüfen, ob ein Handlungsbedarf vorhanden ist oder nicht. Unsere Fachspezialisten und -spezialistinnen helfen Ihnen gerne bei der Ausarbeitung oder Überarbeitung von einem Homeoffice-Reglement sowie beantworten Ihre Fragen.

Daniel Wartenweiler
Partner
Treuhänder mit eidg. Fachausweis
Sozialversicherungsfachmann mit eidg. Fachausweis
Experte Arbeitsrecht / Zertifikat Schulthess

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